„Wir sind aus ähnlichem Holz geschnitzt (…)“
07.09.2022
Sein Name ist aus der Region nicht wegzudenken: André Kramm. Zu den Referenzen des in Niederbrechen geborenen Architekten zählen unter anderem die WERKStadt, das Bürogebäude der MNT oder auch die Erweiterung der Blechwarenfabrik in der Wiesletstraße. Seit Jahrzehnten zählt er als vertrauensvoller Partner zu unserer AW WELT. Wie es dazu kam, was beide eint und weshalb aus seiner Sicht „Beliebigkeit kein adäquates Mittel ist“, erfahren Sie hier.
Herr Kramm, können Sie sich noch an ihr erstes, gemeinsames Projekt mit der Albert Weil AG erinnern?
Der erste Kontakt kam im Zuge eines Limburger Industriebauprojekts Anfang der 90er über Stefan Jung-Diefenbach zu Stande. Es ging um die Erweiterung der Blechwarenfabrik in der Wiesletstraße. Damals war er Jungbauleiter, auf dem Weg zum Bauleiter. Danach hatte ich erstmalig Kontakt zu Klaus Rohletter im Zuge des Lebenshilfeprojekts in Runkel-Ennerich. Die Zusammenarbeit war von Beginn an sehr gut. Wir haben damals direkt festgestellt, dass wir ähnliche Ansichten haben. Gleiches gilt auch in Hinblick auf das Verhältnis zu Herrn Haas.
Welche Ansichten wären dies?
Es gibt Werte, die man teilt und die einem wichtig sind – beruflich wie privat bzw. im persönlichen Umgang. Wir sind aus ähnlichem Holz geschnitzt – da ist etwas, was uns verbindet. Und wir haben nun schon einen 30 Jahre langen, gemeinsamen Weg mit Höhen und Tiefen hinter uns. Dabei gab es stets einen sehr guten Grundkonsens. Auf die Zeit zurückzublicken und darüber nachzudenken, wie wir uns über die Jahre entwickelt haben, ist etwas, was Freude macht.
Sie teilen auch die Verbundenheit zur Region. War dies schon immer so?
Als ich von Kassel nach Limburg zurückgekommen bin, haben damals viele gesagt „Bist du verrückt? Warum Limburg?“ heute kann ich sagen, ich bin sehr gerne hier tätig. Es macht Freude, in seiner Heimat für seine Heimat zu arbeiten und diese zu gestalten. Hier kennt man sich und hat ein gutes Miteinander, welches zu einer Form der Zuverlässigkeit führt, die ich sehr schätze.
Eine der größten Herausforderungen in Ihrer Branche ist es, die Vorstellungen bzw. Wünsche Ihres Gegenübers zu verstehen bzw. bestmöglich umzusetzen. Was ist dabei Ihr Erfolgsrezept?
Jede Aufgabe ist individuell und man muss verschiedene Perspektiven einnehmen. Das bedarf einer internen Reflexion. Man muss die Dinge mit anderen Augen sehen können. Ein Beispiel: In Niederbrechen stand unweit meines Elternhauses ein wunderschöner Baum, erst als ich ihn ausgiebig studiert und gezeichnet hatte, war er wirklich präsent. Genau hinzuschauen bedeutet, etwas anders wahrzunehmen und am Ende auch die einfachen Dinge zu schätzen. Gerade beim Bauen im Bestand gilt: Alles hat einen Wert. Man muss diesen Wert erkennen und den richtigen Blick darauf haben. Und – ebenfalls wichtig: Man darf nicht stehen bleiben, sondern muss sich entwickeln. Auch Bewährtes kann weiterentwickelt werden.
Dieser Perspektivwechsel – gerade im zwischenmenschlichen Bereich – bedarf sicherlich ein gewisses Fingerspitzengefühl bzw. Einfühlungsvermögen, oder?
Man muss auf verschiedene Personen eingehen können und versuchen, die Dinge auch mit ihren Augen zu sehen. Ich habe zum Beispiel Marco Hermes, Polier der Albert Weil AG, im Rahmen der Arbeiten zur Limburger WERKStadt kennengelernt. Ein kernig-direkter Typ, aber immer für die Sache. Das mag ich, die offene und ehrliche Kommunikation auf Augenhöhe.
Ich habe Freude am Perspektivwechsel – auch mit anderen. Und den Ansatz „Das war schon immer so – das geht nicht anders“, gibt’s bei mir nicht. Übrigens gehört es auch dazu, die eigene Rolle zu reflektieren.
Nämlich?
Teilweise ist diese ebenfalls unterschiedlich. Ich kann Auftragnehmer, Projektentwickler oder auch „Treuhänder“ der Interessen des Bauherrn bzw. des Auftraggebers sein. Das Spannende ist, seine Rolle und die des anderen konstant einzuschätzen und im Dialog zu bleiben. Unterm Strich ist die wichtigste Frage: Wie kann das Ergebnis davon profitieren?
Wie gehen Sie mit Kritik um?
Die gehört dazu und das ist auch gut so. Eine kritische Reflexion ist Teil des Nachdenkens und der Suche nach der angemessenen Lösung Man muss sich immer die Frage stellen: Ist das die richtige Antwort? Wie fügt sich die Architektur in alles ein? Besondere Orte brauchen besondere Lösungen. Beliebigkeit oder Austauschbarkeit ist kein adäquates, architektonisches Mittel. Architektur und die Haltung dahinter liefern die Begründung. Es gibt nie nur eine Meinung oder Lösung, man muss im Dialog bleiben.
Gibt es ein Projekt, welches Ihnen in besonders guter Erinnerung geblieben ist?
Jedes Projekt hat seinen Reiz und eine eigene Bedeutung. Aber manche wachsen einem etwas mehr ans Herz. Zum Beispiel das Bürogebäude der MNT in den Klostergärten oder die WERKStadt. Bei beiden Projekten haben wir Alt und Neu miteinander verbunden. Die Projekte sind wirkliche Herzensangelegenheit und wir waren bei beiden vom ersten Gespräch an beteiligt.
Mit Blick in die Zukunft: Gibt es ein weiteres Herzensprojekt, welches Sie gerne umsetzen würden?
Ich bin einfach dankbar, wenn wir so weitermachen können, wie bisher. Denn ich habe eine Zufriedenheit mit dem, was ist. Und ich hoffe, dass das Bestand hat. Das gilt auch für die Zusammenarbeit mit der Albert Weil AG. Wenn man am Ende fast 40 Jahre gut zusammengearbeitet hat, ist das sehr außergewöhnlich. Das ist in unserer schnelllebigen Zeit nicht selbstverständlich.