Unsere Branche im Fokus – Im Gespräch mit Peter Karrié
Wie auch die Bauunternehmung Albert Weil AG ist die Karrié Bauunternehmung ein mittelständisches Unternehmen im Rhein-Main-Gebiet. Wie ist die geschichtliche Entwicklung Ihres eigenen Unternehmens?
Die Karrié Bau GmbH wurde 1982 von meinem Vater gegründet. Alles begann mit zwei Schubkarren, vier Mitarbeitenden und Pflasterarbeiten. Bald konzentrierte sich das Unternehmen auf Umbauten; insbesondere Kernbohren und Betonsägen waren damals noch Spezialdisziplinen. Als die Belegschaft auf drei Kolonnen angewachsen war, baute Karrié auch Einfamilienhäuser für Privatkunden. Mein Einstieg erfolgte im Jahr 2003 nach meinem Studium in München und meiner dortigen Tätigkeit als Bauleiter.
Zu dieser Zeit waren wir bereits in vielen Feldern engagiert, wie zum Beispiel im Hochbau, im Bereich Gussasphalt sowie in der Bauwerkserhaltung. Ich traf auf eine komplexe Situation: Wir hatten mit 60 Beschäftigten einerseits eine gewisse Größe, waren andererseits aber für viele Projekte zu klein. Unser Status war gewissermaßen „zwischen Baum und Borke“.
Als ich früher als geplant die Geschäftsleitung übernahm, galt es die notwendigen Weichen zu stellen: Sollte Karrié kleiner oder größer werden? Ich musste nicht lange überlegen, um mich für Letzteres zu entscheiden.
In Ihrer Unternehmensgruppe gibt es neben der Karrié Bau und der Karrié Bauwerkserhaltung GmbH noch weitere Geschäftsfelder. Wie stellt sich das „Firmendiagramm“ von Karrié dar?
Die Karrié Bau GmbH legt den Fokus auf den Hochbau in der Region Rhein-Main und benachbarten Ballungsgebieten. Hier haben wir insbesondere in den Bereichen schlüsselfertiges Bauen, Industriebau und Werksbetreuung weiterentwickelt. Vor einigen Jahren haben wir ein kleineres Tiefbauunternehmen übernommen. Die Karrié Tief- und Straßenbau GmbH hat mittlerweile 25 Beschäftigte und ist in den Bereichen Hausanschlüsse, Glasfaser, Straßenunterhalt und Gussasphaltbau engagiert.
Die Disziplin Bauwerkserhaltung habe ich schon erwähnt. In diesem Bereich sind wir bereits seit 1986 tätig. Im Jahr 2021 wagten wir einen großen Schritt: Wir übernahmen die Implenia Instandsetzung GmbH, ehemals Bilfinger Berger. 200 neue Mitarbeitende auf einen Schlag – und auf einmal fünf weitere Geschäftsstellen, in Hamburg, Recklinghausen, Erfurt, Stuttgart und München – das ist durchaus etwas Besonderes!
Für bauwirtschaftliche Synergien sorgt die Tochtergesellschaft Karrié Projektentwicklung GmbH, die Immobilienprojekte im gewerblichen und wohnwirtschaftlichen Bereich entwickelt.
Abgerundet wird das Firmenportfolio durch das Mainzer Traditionsunternehmen Krauter Dekorationsmaler- und Stuckateur GmbH & Co. KG, welches wir im Jahr 2015 übernahmen. Es existiert seit 1720 existiert und hat seinerzeit sogar Arbeiten in Loire-Schlössern in Frankreich ausgeführt.
Was bedeutet für Sie eine diverse Unternehmensführung?
PK: Das „traditionelle“ Führungskonzept sah früher oftmals wie folgt aus: Der Chef war der Erste und der Letzte im Büro, da die Entscheidungskompetenz oftmals alleine bei ihm lag. So wollte ich nicht führen. Als ich die Leitung übernahm, war ich der Jüngste, hatte aber viele erfahrene Mitarbeitende um mich herum. Diese habe ich bei Entscheidungsprozessen mit einbezogen und um Vorschläge gebeten, was mir zunächst auch als Schwäche ausgelegt wurde. Heute ist die Eigenverantwortung unserer Mitarbeitenden zentraler Bestandteil unserer Unternehmenskultur. Sie dürfen für das Unternehmen sprechen – und selbstverständlich auch für das Gesagte Verantwortung übernehmen.
Zu unseren Bauherrn und Nachunternehmern pflegen wir einen partnerschaftlichen und fairen Umgang. Wir begegnen uns auf Augenhöhe, was einen respektvollen Umgang mit ALLEN Beteiligten und das Bewusstsein von absoluter Gleichwertigkeit sowie Gleichberechtigung erfordert. Dies haben wir in unserem Unternehmen erfreulicherweise sehr schnell erreicht.
Mehreren Studien zufolge sind gemischt besetzte Teams sind erfolgreicher als homogene Arbeitsgruppen. Können Sie dies für die Arbeit auf Ihren Baustellen, der Kommunikation mit Auftraggebern sowie für die Zusammenarbeit in den unterschiedlichen Abteilungen bestätigen?
Wir stellen unsere Teams „bunt“ zusammen und legen auch Wert darauf, sie immer wieder neu zu mischen. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass der Umgangston in einer Bauleiterrunde durch die Anwesenheit von Frauen profitiert. Es ist daher grundsätzlich schade, dass die handwerkliche Bauwelt diesbezüglich noch oft verschlossen ist. Andere handwerkliche Berufe sind da viel offener. Wir sind sehr stolz darauf, einen sehr hohen Frauenanteil in unserer Bauleitung zu verzeichnen. Deutschlandweit liegt dieser durchschnittlich bei 17% – bei uns sind es 39%!
Wie ist Ihre Wahrnehmung der Albert Weil AG? Sehen Sie Unterschiede zwischen den Unternehmen – oder auch Gemeinsamkeiten? Zum Beispiel in Hinblick auf die Unternehmenswerte, die Regionalität etc.
Wir sind natürlich Mitbewerber. Ich wohne in Blickweite des Römischen Theaters in Mainz und sehe die Baustelle jeden Tag. Das technische Equipment sieht sehr hochwertig und neu aus (lacht). Und ich bewundere die Kalkulation des Projektes – dieses Projekt in Zahlen zu fassen, war sicher nicht einfach.
Die Albert Weil AG ist aus meiner Sicht eine grundsolide, gut geführte Unternehmung. Ich freue mich über jedes mittelständische Unternehmen, da diese den Standort Deutschland auszeichnen. In Frankreich gibt es beispielsweise nur sechs riesige Bauunternehmen – wir haben eine hohe Diversität, wodurch die Branche stressresistenter wird.
In 42 Jahren wurden 100 Azubis ausgebildet. Wie sind Ihre Erfahrungen in diesem Bereich, gerade auch in Hinsicht auf das Thema Diversität?
Wir haben in 42 Jahren eines gelernt: niemals aufgeben. Manche Jahrgänge sind außerordentlich gut, andere benötigen sehr große Unterstützung.
Grundsätzlich haben wir ein umfangreiches Nachhilfeangebot und möchten ein Gefühl der Gemeinschaft unter den Azubis erzeugen. Auf unserem Probierplatz können sie dann beispielsweise Maurerarbeiten trainieren. Und wer den Gesellenbrief erhält, bekommt von uns ein Übernahmeangebot. Alle – ausnahmslos.
Stichwort Fachkräftemangel: Wie stark spüren Sie diesen? Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um Nachwuchskräfte für Karrié zu begeistern?
Wir spüren den Fachkräftemangel ganz deutlich und in allen Bereichen, so wie alle anderen Bauunternehmen auch. Die ganze Branche muss Ideen entwickeln, um ihm zu begegnen. Das Image der Baubranche ist meiner Meinung nach das Problem.
Wir in der Stadt Mainz erleben den Fachkräftemangel noch einmal intensiver als Unternehmen auf dem Land, wo ganze Dörfer bei ein und demselben Betrieb lernen.
In Mainz haben wir Firmen wie Biontech, Boehringer Ingelheim oder SCHOTT – das sind mächtige Konkurrenten bei der Suche nach guten Fachkräften.
Wir versuchen auf uns aufmerksam zu machen: So sind wir auf Ausbildungs- und Karriere-Messen an unseren Standorten vertreten. Besonders wichtig ist uns auch ein guter Kontakt zu den örtlichen Hochschulen. Zudem nutzen wir unsere Baustellen und unseren Fuhrpark für das Recruiting und bespielen verschiedene Social Media-Kanäle. Sichtbar sind wir auch durch unsere Unterstützung unterschiedlicher Sportvereine, in denen unsere Mitarbeitende oder deren Familienmitglieder aktiv sind.
Kulturelle Vielfalt kann nachweislich eine Bereicherung für das Unternehmen und die Unternehmensführung darstellen. Wie stellt sich das in Ihrem Unternehmen dar?
Durch eine „bunte“ Mitarbeiterschaft. Wir kommunizieren sehr klar, dass unsere Mitarbeitenden – ganz gleich ob mit oder ohne Migrationshintergrund – sehr geschätzte Leistungsträger des Unternehmens sind. Dies ist für uns eine Selbstverständlichkeit und muss daher auch nicht aktiv gemanagt werden.
Last but not least: Was hat es mit dem Thema “Kunst bei Karrié“ auf sich? Was genau hat ein Bauunternehmen mit Kunst zu tun?
Kunst bei Karrié ist ein Projekt, das wir seit 2015 jedes Jahr realisieren. Kunst braucht Raum. Aus diesem Grund haben wir vor 13 Jahren das Format Kunst bei Karrié ins Leben gerufen. Einen Monat lang geben wir Künstlern die Möglichkeit, unsere Firmenzentrale als Ausstellungsfläche zu nutzen.
Da die Kunstwerke meist an einem Wochenende installiert werden, erleben unsere Mitarbeitenden am folgenden Montagmorgen ein Überraschungsmoment, wenn sie ins Büro kommen. Das Spannende: Anfangs wird die Kunst von vielen als störend empfunden, einfach weil sie im gewohnten Umfeld fremd ist. Es braucht in jedem Jahr etwas Zeit, aber jedes Mal von neuem lässt sich beobachten, wie die Kunst zum Innehalten und zum Austausch anregt. Die Akzeptanz wächst von Tag zu Tag und Objekte, die am Anfang für das meiste Befremden gesorgt haben, werden auf einmal am meisten geschätzt.
Wir möchten damit zeigen, dass Veränderungen nichts Schlimmes sind: Die Welt des Bauens ist gekennzeichnet durch zahlreiche Verordnungen, Normen, technische Regeln und eng gefasste Toleranzbereiche. Sie steht damit im starken Kontrast zur Kunst in all ihren freien Formen. Natürlich besteht dieser Kontrast nicht nur zur Bauwirtschaft, sondern zu vielen, ja den meisten anderen Bereichen der Berufswelt. Auch deshalb zieht die Kunst so viele Menschen an, bietet sie doch eine Gelegenheit zur Flucht aus dem Alltag.
Sie kann darüber hinaus auch Mut machen, Dinge aus einer anderen Perspektive wahrzunehmen, andere und ungewohnte Denkansätze zuzulassen und die gewohnten Pfade zu verlassen. Dies ist eine mögliche Wirkung auf unsere Mitarbeitende, die ich mir als Unternehmer nur wünschen kann.
Eröffnet wird Kunst bei Karrié mit einer Vernissage, die wir dazu nutzen, unsere Kunden und Geschäftspartner wie zum Beispiel Architekten und Planer aber auch Kunstinteressierte zu uns einzuladen. Das Event ist immer gut besucht. Genau wie unsere After Art Party, sozusagen die Finissage, die wir auf unserer Dachterrasse feiern.
Das jähe Ende und die vielen weißen Wände in den Fluren unseres Büros sind dann jedes Jahr aufs Neue sehr ernüchternd, gehören aber natürlich unzertrennlich zu dem Gesamterlebnis Kunst bei Karrié und wecken zudem die Vorfreude auf das nächste Jahr.